BGR Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

Navigation ▼

Geogenes Dioxin in Tonrohstoffen

Projektende: 31.12.2011

Projektstand: 21.03.2007

Die Futtermittelskandale Ende der 90er Jahre brachten zum Vorschein, dass in manchen Tonrohstoffen erhöhte Gehalte von polychlorierten Dioxinen vorkommen. Betroffene Tone haben meist einen hohen Kaolinitanteil. Die so genannten Dioxine, eine Gruppe von toxischen organischen Verbindungen, gehören zur Gruppe der halogenierten aromatischen Kohlenwasserstoffe. Das gefundene Muster der verschiedenen Dioxinverbindungen ließ sich keiner bekannten Quelle zuordnen. Werden nun solche Tonrohstoffe in Futtermitteln eingesetzt, könnten sich über die Nahrungskette die Dioxine im menschlichen Körper in gefährlicher Weise anreichern. Daher werden die als belastet identifizierten Rohstoffe nicht mehr dort eingesetzt, wo sie mit Tierfutter oder Lebensmitteln in Berührung kommen.

Dioxin in TonrohstoffenDioxin in Tonrohstoffen Quelle: BGR

Dioxine sind den meisten Menschen als anthropogene Problemstoffe bekannt. Sie entstehen als unerwünschte Nebenprodukte zumeist im Zuge von Verbrennungsprozessen wie z. B. der Müllverbrennung. Dabei bildet sich immer eine Vielzahl verschiedener Dioxine mit unterschiedlicher Anzahl gebundener Chloratome. Diese oft prozessspezifischen Zusammensetzungen werden als Kongenerenmuster bezeichnet. So lässt sich anhand des in einer Probe festgestellten Kongenerenmusters Rückschluss auf die Quelle der Dioxine ziehen.

Die sofort begonnene Suche nach solchen bekannten, anthropogenen Quellen als Ursache für die Dioxin-Belastung in den Tonrohstoffen verlief aber erfolglos. Besonders auffällig war das in den Tonen gefundene Kongenerenmuster der Dioxine, dominiert durch das achtfach-chlorierte OCDD. Hieraus wurde gefolgert, dass die Belastung natürlichen Ursprungs ist und schon vor geologischen Zeiträumen entstanden ist. Ein Zusammenhang mit dem Alter oder der Mineralzusammensetzung der Rohstoffe konnte bisher nicht gefunden werden. Für die BGR war dies der Ansatzpunkt für eine Studie, die in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin durchgeführt wurde.

Es gibt zwei Hauptentstehungswege für Kaolinit-reiche Tonrohstoffe. Zum einen können einige Gesteine zu Kaolinit und anderen Begleitmineralen umgewandelt werden, ohne dass sie direkt mit der Atmosphäre und den dort vorherrschenden klimatischen Einwirkungen in Berührung kommen: Das sind „primäre“ Tonrohstoffe. Der zweite Entstehungsweg schließt immer eine mehr oder weniger lange und intensive Phase der Verwitterung ein. In dieser Phase waren die heute im Rohstoff auffindbaren Minerale den vor geologischen Zeiträumen herrschenden Bedingungen wie Klima und Vegetation ausgesetzt: Die Minerale wurden erodiert, um- und wieder abgelagert. Die entstandenen Ablagerungen werden als „sekundäre“ Tonrohstoffe bezeichnet. Die beobachteten Prozesse nehmen normalerweise Jahrtausende in Anspruch.

In der Studie konnte festgestellt werden, dass in den für „primäre“ Kaolinrohstoffe typischen Tonhorizonten keine nennenswerten Gehalte an Dioxinen auftreten. Im Gegensatz dazu werden Dioxine heute aber dann angetroffen, wenn die Tone vor geologisch langen Zeiten umgelagert wurden, dabei klimatischen Prozessen ausgesetzt waren und stofflichen Eintrag aus der damaligen Umwelt erhielten. Die untersuchten sekundären Tonhorizonte wiesen alle gering erhöhte Gehalte an Dioxinen auf und unterscheiden sich darin eindeutig von den primären Kaolinen.

Neben dieser klaren Antwort waren noch Fragen zur genauen Entstehung der Dioxinvorkommen in den Tonen ungeklärt. Es wurde untersucht, ob die Dioxine bevorzugt an sehr feinteilige so genannte Tonminerale anhaften, die ja den Wertstoff der Rohstoffe bilden, oder ob sie eher an Begleitsubstanzen gebunden sind. Tonminerale können Wasser gut aufnehmen. Da Dioxine aber wasserabweisend sind, können sie besser von dem ebenfalls wasserabweisenden sedimentären organischen Material gebunden werden. Dieses organische Material besteht aus Rückständen ursprünglich mit abgelagerten Teilen abgestorbener Pflanzen und Tiere (biogenes Material) und ist in sekundären Tonrohstoffen enthalten.

Detaillierte mikroskopische und stoffliche Untersuchungen des organischen Materials aus den sekundären Tonrohstoffen wiesen eine vielfältige und wechselnde Zusammensetzung nach, die im Wesentlichen aus erhaltenen Resten eines damaligen Landpflanzenbewuchses besteht. Die vergleichende Untersuchung von Korngrößenfraktionen zeigt den Trend, dass es in für sekundäre Tonrohstoffe typischen Horizonten keine Hinweise auf eine Bindung der Dioxine an Tonminerale gibt, jedoch auf eine Bindung an das organische Material. Die Kenntnis der Art des organischen Materials konnte allerdings keine konkreten Hinweise auf mögliche Entstehungsbedingungen der natürlichen Dioxine in den belasteten Tonen liefern.

Es bleibt also weiterhin offen, wie sich diese Dioxine in dem Rohstoff angereichert haben. Sicher ist jedoch, dass auch die vor Jahrmillionen natürlich gebildeten Dioxine im Zuge der unterschiedlichen Umwelteinflüsse und im Laufe der Zeit ab- und umgebaut wurden, sich also in Menge und Zusammensetzung verändert haben. Das stabilere und weniger toxische OCDD-Kongener, eine achtfach-chlorierte Dioxin-Einzelverbindung, ist gegenüber den toxischeren, weniger stabilen Dioxinen wie dem vierfach-chlorierten TeCDD stark angereichert. Die Tone zeigen damit ein typisches Erhaltungs-Kongenerenmuster. Dies legt den Schluss nahe, dass die Dioxine nicht im Ton entstanden sondern in ihm erhalten geblieben sind.

Die geringe Wasserdurchlässigkeit der Tone und die Einlagerung unter Sauerstoffabschluss sind als Voraussetzung dafür zu betrachten, dass die Dioxine bis zur heutigen Zeit überliefert sind. Es muss davon ausgegangen werden, dass für die Stärke der Dioxinbelastung in Tonvorkommen auch die Erhaltungsprozesse eine entscheidende Rolle spielen. Gleichwohl muss nach heutigem Verständnis ein bislang unbekannter Entstehungsmechanismus oder ein besonderer Anreicherungsprozess angenommen werden, um die Höhe der festgestellten Dioxingehalte wissenschaftlich erklären zu können.

Weitere Studien sollten die erdgeschichtliche Entwicklung von Dioxin-Belastungen verschiedener Tonlagerstätten im Zusammenhang mit dem Klima während der Lagerstättenbildung untersuchen. Außerdem sollten die Untersuchungen zur Geschichte der Dioxine Hinweise auf mögliche Quellen der Dioxine und ihre Einlagerung in den Ton geben.

Literatur:

Schmitz, M., Scheeder, G., Bernau, S., Dohrmann, R., Germann, K. 2011. Dioxins in Primary Kaolin and Secondary Kaolinitic Clays. Environmental Science & Technology, 45, 461–467

Partner:

Prof. Dr. Germann, Technische Univ. Berlin

Kontakt 1:

    
Dr. Reiner Dohrmann
Tel.: +49-(0)511-643-2557
Fax: +49-(0)511-643-532557

Kontakt 2:

    
Georg Scheeder
Tel.: +49 (0)511-643-2822
Fax: +49 (0)511-643-3664

Diese Seite:

Hinweis zum Einsatz von Cookies

Mit dem Klick auf "Erlauben" erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihren Aufenthalt auf der Seite anonymisiert aufzeichnen. Die Auswertungen enthalten keine personenbezogenen Daten und werden ausschließlich zur Analyse, Pflege und Verbesserung unseres Internetauftritts eingesetzt. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz

OK

Zum Anfang der Seite ▲